Der Werkzeugkasten

Mal ein Wort zu „speziellen Trainingsmethoden“:

Oft liest man, es wird ein Trainer gesucht, der nach einer speziellen Trainingsmethode arbeitet. Und natürlich gibt es für all diese Methoden auch sowohl Youtube-Videos als auch bezahlte Online-Kurse, Bücher, Kauf-DVDs und anderes.

In meinen Augen ist das – zumindest dem Hundehalter als Endkunden gegenüber – nicht wirklich zielführend, denn es suggeriert, dass sich jeder Hund mit Methode X trainieren lässt. Und genau das ist Blödsinn!

Wisst ihr eigentlich, was das eigentlich Schwierige an meinem Job als Hundetrainer ist? Was jeden guten Hundetrainer immer wieder vor Herausforderungen stellt? Was von uns ein enorm breites Wissens- und Könnensspektrum verlangt?

Das ist die Tatsache, dass jeder Hund und jeder Mensch anders ist! Es gibt kein Handbuch, kein Online-Manual, das ich auf jeden Hund anwenden kann!

Die verschiedenen Trainingsmethoden haben durchaus ihre Berechtigung, jedoch darf ich als Trainer mich dabei nicht auf eine davon festlegen, sondern muss immer diejenige heraussuchen (oder oft auch verschiedene kombinieren), die für dieses spezielle Mensch-Hund-Team passt! Trainingsmethoden sind die Werkzeuge im Werkzeugkasten des Hundetrainers. Mit nur einem Werkzeug kommt man nicht weit…

Und ihr glaubt gar nicht, wie breit die Palette an menschlichen und hundlichen Charakteren ist! Aber ja, für jedes Gespann gibt es das passende Werkzeug, und je voller der Werkzeugkasten eines Hundetrainers ist, umso seltener wird er seine Trainingsziele nicht erreichen. Aber auch das gehört dazu. Niemand kann und weiß alles. Auch als Hundetrainer stößt man gelegentlich an seine Grenzen. Dann muss man sich halt Werkzeug von Kollegen borgen! Auch ich habe schon Rat bei anderen Trainern gesucht, wenn ich mal nicht weiterkam. Und habe dadurch meinen Werkzeugkasten weiter gefüllt. (Ok, ein paar Dinge gehören natürlich in keinen Hundetrainer-Werkzeugkasten und sollten absolut tabu sein, aber darauf will ich hier nicht weiter eingehen.)

Eigentlich sollte es jedem klar sein: ich muss mit einem ängstlichen Hund anders arbeiten als mit einem selbstbewussten. Ich muss mit einem ignoranten Hund anders arbeiten als mit einem Workaholic. Ich muss mit einem alten Hund anders arbeiten als mit einem Welpen.

Ich spreche hier ganz bewusst nicht von rassetypischen Unterschieden! Selbst eine solche Kategorisierung wäre noch viel zu grob! Ein guter Hundetrainer muss das Training jedem einzelnen Hund anpassen, und oft genug gibt es dabei sogar bei Geschwisterhunden Unterschiede!

Und dann ist da ja auch noch das andere Ende der Leine! Was nützt es einem unsicheren, ängstlichen Hundehalter, wenn ich ihm sage: „Du musst deinem Hund gegenüber selbstbewusster auftreten!“? Nichts! Er kann es nicht! Wenn ich darauf beharre, weil Methode X das so vorgibt, dann habe ich als Trainer versagt! Mein Job ist es, eine Methode zu finden, die für diesen Menschen umsetzbar ist! Und die gibt es immer! Das bedeutet in der Praxis, dass ich in meinen Trainingsgruppen, die aus maximal 6 Mensch-Hund-Teams bestehen, oft mit jedem dieser Teams etwas anders arbeite. Das ist unglaublich anspruchsvoll und anstrengend, aber nur so bringe ich jeden meiner Kunden weiter.

Und das, liebe Hundefreunde, ist der eigentliche Job eines Hundetrainers. Er braucht einen riesengroßen Werkzeugkasten voller spannender Trainingsmethoden, Tricks und Kniffe, und aus diesem Kasten muss er sorgfältig für jedes Mensch-Hund-Team das Passende heraussuchen.

Warum schreibe ich das alles? Weil ich eine große Bitte und Empfehlung an alle Hundehalter habe:

Legt euch nicht fest; engt euch nicht ein, wenn es um die Auswahl der Trainingsmethoden geht! Probiert alles aus, aber bleibt offen zu sagen: „Nein, das passt für uns nicht!“. Es gibt für jedes Mensch-Hund-Team die passenden Methoden! Und wenn ihr mal selbst nicht weiterkommt, dann holt euch Rat bei einem guten Hundetrainer – und seinem riesengroßen Werkzeugkasten!

Liebe Grüße
Lutz

 

 

Ergänzung 1

Auch wir Trainer sind ja letztendlich Dienstleister, und damit gehört auch Kundenakquise zu unserem Programm. Ich bin der Meinung, ich muss jedem potentiellen Kunden die Möglichkeit bieten, mich und meine "Leistung" einschätzen zu können, bevor er sich dafür entscheidet, für ebendiese Leistung zu bezahlen. Deshalb biete auch ich - wie viele andere Hundeschulen ja auch - ein kostenloses Probetraining an.

Du schreibst, das kein Trainer sein Wissen unentgeltlich weitergibt. Das stimmt, aber ganz ehrlich: bei diesem ersten Termin gebe ich noch kein Wissen weiter. Ich beobachte, teste, analysiere, werte das Erlebte mit dem Kunden zusammen aus und sage ihm, wie ich mir das weitere Training vorstellen würde. Dann kann der Kunde entscheiden, ob er mit mir als Trainer starten möchte oder nicht. Das eigentliche Training beginnt ohnehin erst beim nächsten Termin, und der muss dann natürlich bezahlt werden.

Abgesehen von der Transparenz für den Kunden dient das Probetraining aber auch noch einem anderen Zweck: Auch ich als Trainer möchte Gelegenheit haben, Mensch und Hund unverbindlich kennenlernen zu können und dann einzuschätzen, ob ich mit ihnen zusammenarbeiten möchte oder nicht. (Und es gibt immer wieder mal Fälle, in denen ich das nicht möchte!)

Das man sich als Kunde vorher so gut wie möglich informiert ist natürlich richtig. Nur erstens ist Papier eben geduldig (ebenso wie Internetseiten), zweitens würde ich einem Hundetrainer, der von sich behauptet, nur nach Methode xy zu arbeiten, sehr, sehr skeptisch gegenüberstehen, denn das würde bedeuten, dass er bei allen Hunden, die mit dieser Methode nicht trainierbar sind, das Handtuch werfen muss. (Oft geschieht das tatsächlich, wobei die "Schuld" dann meistens auf Hund oder Halter abgewälzt wird.)

Anders ist es natürlich mit ganz allgemeinen Aussagen! Natürlich darf man heute davon ausgehen, dass Hundetrainer gewaltfrei arbeiten (wobei ja schon das ein sehr umstrittener Begriff ist). Aber wie gesagt: mehr als diese allgemeinen Aussagen ist nicht unbedingt sinnvoll und hilfreich...

 

Ergänzung 2

Was Einzeltermine beim Kunden zu Hause angeht, so muss zumindest der logistische Aufwand auch dann bezahlt werden, wenn es nicht zu einer Zusammenarbeit kommt. Das ist bei so ziemlich allen Handwerksberufen ebenso.

Was jetzt kommt ist nicht mehr allgemeingültig wie mein ursprünglicher Artikel, sondern spiegelt nur meine ganz persönliche Philosophie als Hundetrainer wieder, der darüber hinaus noch über den Luxus verfügt, eine Trainingshalle auf dem eigenen Grundstück und drumherum jede Menge Grünanlagen (und damit beste technische Voraussetzungen für das Training mit allen möglichen Hundeproblemchen) zu haben.

Mich kontaktieren oft Kunden und fragen nach einem Hausbesuch. Wenn ich diesen mache, dann muss das natürlich bezahlt werden, aber in fast allen Fällen bestelle ich auch diese Kunden zum ersten (wie gesagt kostenlosen) Termin zu mir in meine Trainingshalle.

Warum? Weil es für mich sehr wichtig ist, Hund und Mensch zunächst mal in einer für sie fremden und von mir absolut kontrollierbaren Umgebung zu erleben und außerdem die Möglichkeit zu haben, die Ablenkung (z.B. durch andere Hunde, o.Ä.) gezielt zu dosieren. Ich würde schätzen, dass ich in 95% der Fälle dabei die Ursache für das Problem des Hundehalters erkenne, selbst wenn dieses mir geschilderte Problem in dieser Umgebung nur schwach oder auch gar nicht hervortritt. Und nur in den restlichen 5% ist es notwendig und sinnvoll, das (natürlich entsprechend teurere) Einzeltraining beim Kunden zu Hause anzusetzen.

Aber - und jetzt spreche ich wieder ganz allgemein - ich denke, dass jeder Hundetrainer Neukunden zumindest die Möglichkeit geben sollte, ihm beim Training einmalig kostenlos zuzuschauen bzw. (wenn der Hund des Kunden dies möglich macht) auch einmal mitzumachen. Ganz ehrlich: dadurch vergebe ich mir nichts! Ich gebe hier auch noch kein teuer erworbenes Wissen weiter! Ich sammle Erkenntnisse und führe im Anschluss ein Verkaufsgespräch. Dann kann der Kunde entscheiden, ob er mit mir arbeiten möchte oder nicht - und ich kann es ebenso.

Ich amüsiere mich immer wieder über die eine Negativbewertung auf meiner FB-Seite (auch wenn deren Motivation eher persönlicher Natur ist), denn diese ist ein gutes Beispiel hierfür. Jemand schrieb: "...nicht zu empfehlen. Viele Worte, wenig Inhalt..."

Stimmt, genau so sieht ein Probetraining aus! Ich beobachte ganz viel (Mensch und Hund), probiere hier oder da etwas aus und schaue, wie der Hund darauf reagiert. Ich teste Hund und Mensch mit ein paar Ablenkungen und Motivationen. Einiges davon bemerken die Hundehalter noch nicht einmal. Und ich lese Körpersprache! Im Anschluss setzen wir uns zusammen, und dann kommen die "vielen Worte". Ich erkläre dem Hundehalter, was ich beobachtet habe, was für Schlüsse ich daraus ziehe und warum und wie ich darauf basierend ein zukünftiges Training aufbauen würde. (Nach den Wünschen und Zielen des Hundehalters habe ich mich natürlich schon zu Beginn erkundigt.) Wem das zu viele Worte sind, der ist bei mir definitiv fehl am Platze, denn es ist mir sehr wichtig, dass die Hundehalter nicht nur einfach tun, was ich ihnen sage, sondern dass sie es verstehen und ggf. auch hinterfragen! Nur so können sie die Übungen auch passgerecht in ihren Alltag integrieren und an diesen anpassen.

Wenn jemand den Inhalt meiner Worte nicht versteht, dann habe ich halt den Fehler gemacht und mich in einer Sprache zu wenig dem Kunden angepasst. Das kommt natürlich vor, aber dann kann mein Gegenüber mich gerne jederzeit unterbrechen und nachfragen. Die meisten machen das auch. Und wer es nicht tut, der kommt rein menschlich eben nicht mit mir klar und ist dann auf jeden Fall gut beraten, sich eine andere Hundeschule zu suchen, denn abgesehen von all den fachlichen Aspekten ist es einfach total wichtig, dass sich Mensch und Hund bei ihrem Trainer wohl und gut aufgehoben fühlen!

Januar 2019